Dass Richter moderne Helden der Jurisprudenz sind, ist ja allgemein bekannt. So lobt eine Amtsrichterin in Würzburg sich und ihre Kollegen:
Urteilsgründe im Strafverteidiger-Wiki
Der BGH postuliert stereotyp und nicht minder verlogen, die Beurteilung der Glaubhaftigkeit sei „ureigenste Aufgabe“ des Strafrichters, so dass ein Sachverständigengutachten regelmäßig überflüssig ist. Die Wahrheit ist, dass die Befähigung der Richter hierzu in der Regel nicht über denen eines Spielwürfels liegt. Sie sind nur von ihre Befähigung überzeugter, als es ein Würfel je sein könnte. (*)
Es kommt aber noch toller. Richter, jedenfalls manche, können auch die Zukunft voraussagen. Billige Polemik sagen Sie! Falsch, lesen Sie nach beim Gerichtsgutachter Max Steller: „Nichts als die Wahrheit? Warum jeder unschuldig verurteilt werden kann“, Seite 175:
Übrigens berichtet Steller darüber hinaus, dass er im Vorfeld mit einem Glaubhaftigkeitsgutachten beauftragt wurde und zu dem Schluss kam, dass die Belastungszeugin wahrscheinlich bewußt log. Das passte dem Richter wohl nicht in sein Konzept, jedenfalls wurde der Sachverständige nicht zur Hauptverhandlung geladen.
Die heilige Verurteilung ist halt wichtiger, als die Wahrheit. Warum die Liebe der Richter zur Wahrheit rein platonischer Natur ist, muss wohl in einem weiteren Blogbeitrag beleuchtet werden.
(*) Vgl. Oswald, Margit, Laienpsychologische Beurteilung der Glaubwürdigkeit, S. 181 ff. in Verfahrensgerechtigkeit und Zeugenbeweis, Stephan Barton (Hrsg.), Nomos, Baden-Baden, 2002.
Richter, Staatsanwälte und Polizisten haben in der Regel die gleiche Trefferquote bei der Beurteilung der Glaubhaftigkeit wie Laien, und zwar ca. 50 %, also wie Glückswürfel.
Nun aber die gute Nachricht: Richter sind viel lernfähiger als Spielwürfel. Sie müssen nur Wollen. Das scheint der Wunsch von Max Steller zu sein; meiner ebenfalls.
Ich dachte, die aktuelle Kritik an den Richtern wäre: die machen es sich einfach und laden die Verantwortung bei inkompetenten Sachverständigen ab. Jetzt kommen Sie (wieder) und sagen, der Fehler ist, dass die Richter alles besser wissen wollen als die superkompetenten Sachverständigen. Man könnte den Eindruck haben, die können machen was sie wollen, die Anwälte werden es immer falsch finden.
@Stefan
Die Sache ist insgesamt gar nicht so schwer, nur mühsam.
Zum Ersten sollten Richter sich auch außenjuristische Kompetenz aneignen, die im Strafrecht regelmäßig notwendig ist. Das lernen wir Juristen nicht im Studium und nicht im Referendariat.
Zum Zweiten sollten Richter wissenschaftliche Erkenntnisse nicht damit unterlaufen, dass es ihre ureigenste Aufgabe ist, z.B. in Fragen der Glaubhaftigkeit.
Zum Dritten sollten sie die Gutachter nicht als Letztentscheider auffassen, sondern das vermittelte Wissen versuchen zu verstehen und umzusetzen.
Natürlich sind viele Richter redlich bemüht; manche aber nicht. Mir liegt gerade ein Beschluss auf den Tisch, bei der ein Antrag auf Sachverständigengutachten zu den wissenschaftlichen Tatsachen der Probleme bei der Wiedererkennung wegen eigener Sachkunde abgewiesen wurde. Bereits aus dem Beschluss kann man ein Vakuum an diesbezüglicher Sachkunde entnehmen.
Wenn aber Einbildung wahre Kompetenz ersetzt, verliert die Strafjustiz ihre Glaubwürdigkeit.