Jun 2

Kieferbruch ist kein Grund, gegen Polizisten wegen Körperverletzung zu ermitteln.

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In der Wochenendausgabe der Südeutschen Zeitung vom 31.5./1.6.2014 wird über einen weiteren „Einzelfall“ womöglicher Polizeigewalt berichtet.

Ein Polizeibeamter trinkt mit seiner Freundin erhebliche Mengen Alkohol, es kommt zum Streit und die Frau wacht mit einem doppelten Kieferbruch auf. Für die Polizei und die Staatsanwaltschaft ist das kein Grund, ernsthaft zu ermitteln. Immerhin klärt der Polizeibeamte auf, seine Partnerin habe ihn angegriffen und dann habe er ihr reflexartig eine Haken versetzt.

Ein Jahr später, ohne dass weitere Ermittlungen durchgeführt wurden, läßt der Polizist vom Verteidiger eine andere Geschichte erzählen: Die Partnerin habe ihn barfuß gegen das Schienbein getreten und eine Ohrfeige gegeben. Deswegen habe er mit dem linken Arm reflexartig eine Abwehrbewegung gemacht.

Welche Version stimmt jetzt? Egal – die Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren ein. Bei Polizistengattinen gehört ein Kieferbruch vielleicht zum allgemeinen – leicht erhöhten – Lebensrisiko.

Auf Beschwerde des Münchner Verteidigers Stephan Tschaidse wird nachermittelt. Zwei Zeugen berichten, dass der Polizist ihnen gegenüber nach der Tat von einem Haken gesprochen hätte. Ein privat eingeholtes Sachverständigengutachten kommt zu dem Ergebnis, dass eine Abwehrbewegung unwahrscheinlich ist.

Egal – die Staatsanwaltschaft stellt ein. Doch der Verteidiger bleibt stur, so dass nun endlich doch ermittelt wird.

Warum hatten die Ermittlungsbehörden nicht gleich den Sachverhalt aufgeklärt?
Konnte die behauptete reflexartige Abwehrbewegung überhaupt die zwei Kieferbrüche verursachen?
War nicht nach dem eigenen Vorbringen des Polizisten der Angriff schon vorbei? Dann keine Notwehr!
Fragen über Fragen.

Man sollte das Gewaltmonopol des Staates und seiner Staatsbediensteten mal überdenken?

  1. schneidermeister 2 Jun 2014 | reply

    Und was hat eine private Auseinandersetzung beim Betrinken nun mit „Einzelfall“ und „Polizeigewalt“ zu tun?????

    • Sascha Petzold 3 Jun 2014 | reply

      @schneidermeister
      Ihre Frage ist zugleich die Antwort. Tatsächlich war die Gewaltausübung nicht als Polizeibeamter, insoweit ist die Frage berechtigt. Es ist aber so, dass bei Vorfällen mit Beteiligung eines Polizisten nahezu immer auf den Einzelfall oder den Privatfall verwiesen wird. Zur Polizeigewalt wird es aber dadurch, dass die ermittelnden Kollegen eine Aufklärung nicht betrieben haben und damit den Polizisten geschützt haben und die Staatsanwaltschaft dies Unterstützt hat.

      Die Strafrichterin Müller erklärte in der gleichen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung:
      Zum Korpsgeist der Polizisten: „Dass dies vorkommt, ist ein offenes Geheimnis“.
      Und zur Gefahr einer Anklage: „Es ist naheliegend, dass bei diesen Ermessensentscheidungen eher angeklagt wird, wenn der Beschuldigte kein Polizist ist. Und umgekehrt.“

      Das entspricht auch meiner Wahrnehmung als langjähriger Strafverteidiger.

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